Aktualgenetische Verfahren in der Marktforschung

von Lisa FOHRINGER (Herausgeber: Helmut Kammerzelt/Harald Wimmer)

Der Blog “Markt- und Mediaforschung” des Studiengangs Media- und Kommunikationsberatung der FH St. Pölten stellt in regelmäßigen Abständen Seminararbeiten zur Diskussion, die zu ausgewählten und spezifischen Themenbereichen der Markt- und Mediaforschung verfasst wurden.

Aktualgenetische Verfahren in der Marktforschung

 1. Aktualgenese – Der Entstehungsprozess von Wahrnehmung

Den in dieser Arbeit behandelten aktualgenetischen Verfahren liegen der Prozess der sogenannten Aktualgenese zugrunde. Der Begriff geht zurück auf Friedrich Sander, welcher diesen in den 1920er Jahren, aufbauend auf den Lehren der Ganzheits- und Gestaltpsychologie, prägte.[1]

Grundannahme der Aktualgenese ist, dass bewusste, vollständige Wahrnehmungen „komplexer“ Reize (z.B. Produkte) nicht plötzlich, sondern in einem stufenweisen Prozess entstehen. Ausgehend von ersten, vagen Gefühlseindrücken bzw. diffusen Vorgestalten ergeben sich Schritt für Schritt immer schärfere, bewusst erfassbare Endgestalten.[2] Köller beschreibt diesen Vorgang als „Wechselwirkungsprozess von analytischen und synthetischen Denkoperationen“[3], dessen Ergebnis prägnante, sinnträchtige Wahrnehmungen sind, die mittels kognitiver Funktionen bewertet und korrigiert wurden. [4]

Grundsätzlich lässt sich der Ablauf der Aktualgenese in zwei Stadien unterteilen:

Erste stimulusbezogene Gefühle oder Eindrücke entstehen in der Phase der Anmutung. Das eigentliche Objekt wird in diesem Schritt meist noch nicht erkannt. Auch werden hier rationale Überlegungen noch ausgeklammert. Trotzdem wird bereits der Grundstein für die spätere bewusste Verarbeitung des Wahrgenommenen gelegt. Zu vermuten ist, dass ein Werbemittel, welches eine positive Anmutung hervorruft eher Aufmerksamkeit entgegengebracht wird, hingegen eines, bei dem negative Stimmungen dominieren, weitgehend ignoriert wird.[5]
Nieschlag et.al. definieren Anmutungen als „sinnliche Gegebenheiten hinsichtlich der Beschaffenheit eines Erzeugnisses […], die in der Zielperson Stimmungslagen, Gefühle oder gefühlsartige Zustände auslösen oder verfestigen“[6]. Dies kann entweder auf Basis von spontan ausgelösten Emotionen geschehen oder gelernte Assoziationen abrufen und auf diesen aufbauen.[7]

Diese gefühlsdominierten Eindrücke werden in weiterer Folge im Rahmen der kognitiven Interpretation zunehmend bewusst verarbeitet. Hierzu finden einerseits angeborene, objektive Gestaltfaktoren bzw. Gestaltgesetze Anwendungen, welche ausschlaggebend dafür sind, ob Reize als zusammengehörig oder verschieden erlebt werden (z.B. Gesetz der Nähe: Zeitlich oder räumlich beieinander liegende Reize werden als zusammengehörig wahrgenommen). Andererseits spielen subjektive Faktoren eine für die Reizbewertung und -strukturierung tragende Rolle. Diese sind von Mensch zu Mensch unterschiedlich und können sich im Laufe des Lebens auch verändern. Grundlage für solche subjektiven oder individuellen Faktoren sind beispielsweise Einstellungen, Erfahrungen, Vorstellungen und Gefühlslagen. Vor allem bei Reizen, die Unsicherheiten bei der betrachtenden Person auslösen, sind subjektive aber auch soziale Faktoren von großer Bedeutung für die Stimulusbewertung. [8]

Der Vorgang der Aktualgenese läuft in einer Geschwindigkeit ab, dass er in seinen einzelnen Schritten nicht bewusst erfasst werden kann. Apparative Verfahren der Aktualgenese jedoch können Proband/inn/en den Wahrnehmungsvorgang insoweit erschweren, dass dieser bis zu einem gewissen Grad untersucht werden kann. [9]

Psychologische Grundlagen

Im hier vorliegenden Kontext gilt es, vor allem der Gestalt- und der Ganzheitspsychologie Aufmerksamkeit zu schenken. Schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erkannten prominente Vertreter/innen dieser Lehren, wie Wertheimer, Köhler und Koffka das Prinzip der Übersummativität, welches in folgendem Merksatz erklärt wird: „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“.[10] Gemeint ist damit, dass einzelne Wahrnehmungen nicht, wie damals von anderen Strömungen der Psychologie angenommen, zu einer Gesamtwahrnehmung aufsummiert werden können. Es gilt, die kontextspezifischen und individuellen Einflussfaktoren, welche eine umfassende Wahrnehmung erst ermöglichen, zu berücksichtigen.[11]

Überdies neigt das menschliche Gehirn dazu, Reize zu strukturieren und als zusammengehörige Einheiten wahrzunehmen. Als Grundlage hierfür gelten Gestaltgesetze, welche solche wahrgenommenen Gruppierungen beispielsweise durch Nähe, Ähnlichkeit, (vermeintliche) Geschlossenheit oder sogenanntes gleiches Schicksal herstellen.[12] Faktoren wie Einfachheit, Symmetrie oder Trennbarkeit von der Umgebung spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Objekte die diesen Voraussetzungen entsprechen, gelten als prägnant. Sie werden rascher und genauer wahrgenommen, wirken aufmerksamkeitsstärker und erzielen höhere Erinnerungswerte. Demnach ist Prägnanz ein essentielles Kriterium für gute Werbekommunikation, welches vor allem mittels aktualgenetischer Forschungsverfahren analysiert werden soll.[13]

2. Aktualgenetische Verfahren in der Marktforschung

Als Untergruppe der apparativen Verfahren können aktualgenetische Verfahren als experimentelle Laborbeobachtungen bezeichnet werden. In der Regel folgt anschließend an den Test eine Befragung der Proband/inn/en. Aktualgenetische Methoden eignen sich besonders für Werbemittel- und Verpackungstests.[14]

Kennzeichnend für aktualgenetische Untersuchungen ist der Einsatz wahrnehmungserschwerender Technik. Somit soll der nicht erlebbare Prozess der Aktualgenese zeitlich gedehnt werden, um die allmähliche Entstehung von Wahrnehmung besser analysieren zu können.

Beispiele für aktualgenetische Verfahren sind:[15]

  • Tachistoskop
  • Schnellgreifbühne
  • Anglemeter
  • Sichtspaltdeformation
  • Nyktoskop
  • Perimeter
  • Verkleinerungs- und Verunschärfungsverfahren
  • Tacho-Akustoskop

a. Tachistoskop

Das Tachistoskop ist eine Apparatur, die es ermöglicht, visuelle Reize nur für wenige Millisekunden darzubieten. Die am häufigsten eingesetzte Variante ist das sogenannte Projektionstachistoskop, welches einem herkömmlichen Diaprojektor ähnelt. Die Darbietungsdauer kann je nach Gerät bis auf 1/1000 Sekunde reduziert werden, sodass eine bewusste Wahrnehmung, welche bei ca. 1/20 Sekunde beginnt, nicht möglich ist.[16] Die Expositionsdauer wird im Laufe des Tests kontinuierlich erhöht, um die Aktualgenese nachzustellen und so Aufschlüsse über die Entstehung der Wahrnehmung zu gewinnen.

b. Schnellgreifbühne

Die Schnellgreifbühne ist eine bühnenähnliche Vorrichtung, die mittels eines Mechanismus verschiedene Objekte nur für kurze Zeit sichtbar macht. Im Bereich der Marktforschung handelt es sich bei den Testexponaten in der Regel um Produkte bzw. deren Verpackungen. Auf Augenhöhe des Proband/der Probandin befindet sich eine Öffnung in der Apparatur, welche anfangs noch verdeckt ist. Für wenige Sekunden werden die zu testenden Objekte dann der Testperson dargeboten. In dieser kurzen Zeit soll spontan eins (in manchen Fällen auch mehrere) der Exponate ausgewählt werden. Der dadurch simulierte Zeit- bzw. Entscheidungsdruck soll zu einer weitgehend unüberlegten Handlung führen, welche auf den ersten gefühlsmäßigen Anmutungen den Testobjekten gegenüber basiert. Auf diese Art werden die Durchsetzungsfähigkeit, die Prägnanz und der spontane Aufforderungscharakter von Produkten getestet. Kennzeichnend bei diesem Verfahren ist, dass nicht nur die Wahrnehmung an sich erhoben wird, sondern konkrete Entscheidungen und Handlungen analysiert werden.[17] Bei Verpackungs- und Produkttests interessiert neben der Anmutungsqualität der Testobjekte auch die Wahrnehmung des Preis-Leistungs-Verhältnisses. In manchen Fällen wird den Proband/inn/en ein Budget vorgegeben, sodass dieser seine Wahl dementsprechend treffen muss.[18]
Neben der klassischen Schnellgreifbühne werden zunehmend multimediale Simulationen eingesetzt. Hierbei werden, wie auch bei der herkömmlichen Methode, verschiedene Objekte, zB. Verpackungsentwürfe, für begrenzte Zeit gezeigt. Jedoch handelt es sich in diesem Fall lediglich um Darstellungen auf einem Bildschirm, aus welchen die Auskunftsperson mittels eines technischen Eingabegeräts wählt. Diese modernere Variation der Schnellgreifbühne bringt die entscheidenden Vorteile der Mobilität und einfachen Handhabung mit sich, während die Versuchsanordnung herkömmlicher Tests relativ aufwändige und komplizierte Laboreinrichtungen benötigt. Die Untersuchungen können somit in ein natürlicheres Umfeld verlagert werden, um so die Künstlichkeit der Testsituation etwas zu verringern. Darüber hinaus ergibt sich bei regelmäßiger Nutzung der entsprechenden Devices ein Kostenvorteil gegenüber der klassischen Schnellgreifbühne. Ob eine Simulation jedoch eine gleichwertige Alternative darstellt, ist je nach Forschungsziel und Kosten-Nutzen-Relation individuell zu entscheiden.[19]

c. Anglemeter

Der Einsatz eines Anglemeters erlaubt es, Erkenntnisse über die Erkennbarkeit von Produkten bzw. ihren Verpackungen zu erhalten. Grundsätzlich handelt es sich bei dieser Vorrichtung um eine drehbare Scheibe, die es ermöglicht das Testobjekt aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. Im Rahmen eines Produkt- oder Verpackungstests wird der Testperson zunächst die Perspektive von der Seite, von hinten bzw. von oben oder unten präsentiert. Erst allmählich wird die relevante Vorderseite sichtbar. Ziel dieser Methode ist es, herauszufinden ab welchem Winkel ein Produkt für den Kunden/die Kundin eindeutig identifizierbar ist, da auch in der Realität nicht immer eine Frontansicht gegeben ist.[20] In leicht abgewandelter Form kann dieses Verfahren auch zur Überprüfung der Erkennbarkeit von Werbemitteln eingesetzt werden.[21]

d. Sichtspaltdeformation

Das Sichtspaltdeformations- oder Zöllner-Verfahren erlaubt der Testperson nur Ausschnitte der getesteten Produkte oder Werbemittel zu sehen. Dazu wird ein Objekt schnell an einem schmalen Spalt oder einer schlüssellochähnlichen Öffnung vorbeibewegt, sodass eine ganzheitliche Erfassung verwehrt bleibt. Aus einem anschließenden Interview werden Identifizierbarkeit und Wiedererkennungswert des Untersuchungsgegenstandes abgeleitet.[22]

e. Nyktoskop

Durch Einsatz eines Nyktoskops wird die für eine eindeutige Identifikation erforderliche Ausleuchtung eines Objekts ermittelt. Die Testsituation startet zunächst in völliger Dunkelheit. Das Nyktoskop ermöglicht eine stufenlose Regelung der Helligkeit, sodass diese im Verlauf des Experiments kontinuierlich gesteigert werden kann. Es soll erfasst werden, ab welchen Lichtverhältnissen die Proband/inn/en ein Produkt, ein Werbemittel oder ähnliches erkennen. Je schwächer die hierbei benötigten Lichtverhältnisse sind, desto höher ist die Prägnanz und Durchsetzungsfähigkeit des Testobjekts.[23]

f. Perimeter

Mittels eines Perimeters wird die Objekterkennung bzw. -identifizierung außerhalb des Sichtfeldzentrums, also in der Sichtfeldperipherie gemessen. Die Apparatur führt das Testobjekt ausgehend vom Sichtfeldrand sukzessive vor die Testperson in dessen Wahrnehmungzentrum. Auf diese Weise werden reale Situationen, wie beispielsweise das periphere Wahrnehmen beim Vorbeigehen an Produkten oder Plakaten simuliert. Je weiter außen im Blickfeld das Objekt erkannt wird, desto durchsetzungskräftiger ist es.[24]

g. Verkleinerungs- und Verunschärfungsverfahren

Sowohl Verkleinerungen als auch Verunschärfungen bedienen sich Linsensystemen, um dem Probanden/der Probandin die Wahrnehmung des Dargebotenen zu erschweren. Bei Verkleinerungsverfahren kommt häufig der sogenannte Distanzmeter zum Einsatz. Dabei wird eine allmähliche Annäherung an das Objekt simuliert. Bei Verunschärfungen hingegen wird eine verschwommene Darstellung immer schärfer geschaltet. Auch bei diesen Verfahren gibt der Zeitpunkt der eindeutigen Erkennung Auskunft über die Durchsetzungsfähigkeit eines Objekts.[25]

h. Tacho-Akustoskop

Diese Methode arbeitet – anders als die bisher genannten – auf akustischer statt auf visueller Ebene. Den Testpersonen werden kurze Auszüge aus TV- oder Hörfunk-Spots vorgespielt. Diese können im Vorhinein bearbeitet worden sein, zB. indem die Geschwindigkeit erhöht und somit die Länge der Passage verkürzt wurde. Die Tonhöhe sollte jedoch so angepasst werden, dass sie unverändert zum Original bleibt. Aufgabe der Proband/inn/en ist es, die akustischen Reize einem Absender, einer Marke oder einem Produkt zuzuordnen.[26]

3. Detailbetrachtung: Tachistoskop

Das am häufigsten eingesetzte aktualgenetische Verfahren ist die Tachistoskopie. Durch sehr kurze Expositionszeiten wird versucht realitätsnahe Bedingungen durch flüchtige Blicke herzustellen. Neben dem bekannten Projektionstachistoskop existiert auch das sogenannte Augen-Tachistoskop, welches statt des Betrachtungsobjekts das Auge der Testperson verdeckt. Aufgrund der relativ geringen Verbreitung dieser Methode beschränkt sich dieses Kapitel jedoch auf die Tachistoskopie mittels Projektionen (oder Vergleichbarem). In den meisten Fällen werden diese mit einem Diaprojektor erzeugt und heutzutage elektronisch – im Gegensatz zur anfänglichen mechanischen Bedienung – gesteuert.[27] Durch die absichtlich sehr kurze Exposition sind kognitive Verarbeitungsprozesse des Gesehenen kaum bis gar nicht möglich, was die Einflüsse gelernter Denkmuster auf die Wahrnehmung verhindert. Sukzessives Verlängern der Darbietungsdauer simuliert den Prozess der Wahrnehmung und teilt ihn in analysierbare Einheiten. Dabei interessieren vor allem die erste gefühlsmäßige Anmutung und die Prägnanz des Testmaterials.[28]

a. Ablauf einer tachistoskopischen Untersuchung

Wie auch bei anderen Untersuchungen üblich gilt es als erstes das zu untersuchenden Testmaterial zu definieren, welches sowohl Anzeigen, Plakate als auch Logos und Symbole umfassen kann. Diese werden in weiterer Folge standardisiert – d.h. mit vergleichbarer Formatierung und Auflösung – auf Dias übertragen. Sind die Vorbereitungen abgeschlossen und eine geeignete Stichprobe an Proband/inn/en gewählt, werden diese in die Untersuchungsräumlichkeiten eingeladen, wobei der Test selbst entweder als Einzel- oder Gruppenbefragung durchgeführt werden kann. Bei Gruppen- oder Hörsaalbefragungen bestehen allerdings Probleme hinsichtlich der individuellen Betrachtungsbedingungen (zB. unterschiedliche Winkel und Distanzen zur Leinwand) und der Beeinflussung der Proband/inn/en untereinander. Zwar gibt es Versuche die unterschiedlichen Bedingungen in der Auswertung zu berücksichtigen, jedoch stößt man hierbei relativ rasch an Grenzen. Darüber hinaus wird den Testpersonen bei Tests in Gruppen mehr Disziplin abverlangt als bei einer Einzelbefragung, da sie ihre Meinungen und Antworten nicht laut äußern, sondern notieren müssen (oft kommt hierbei ein Fragebogen zum Einsatz). Bei einem solchen Test sind ca. 15-70 TeilnehmerInnen üblich. Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase folgt der eigentliche Test, bei welchem in allen Bereichen ein möglichst hoher Grad an Standardisierung angestrebt wird, um die Ergebnisse anschließend vergleichen zu können. Die Befragung zum Gesehenen kann als mündliches Interview oder als schriftlicher Fragebogen erfolgen.[29]

b. Erkenntnisse für die Werbegestaltung

Früh erkannte Werbemittel weisen eine hohe Prägnanz auf. Diese enthalten in der Regel grafische Elemente, die durch ständige Wiederholung eine prägende Wirkung auf die Konsument/inn/en haben und so selbst bei kurzer Betrachtungsdauer identifiziert werden können.[30] Ein Beispiel hierfür ist „Coca Cola“. Auch wenn andere Wörter im typischen Design von Coca Cola gezeigt werden, ordnet die Mehrheit der Befragten diese trotzdem dem Getränkehersteller zu. Bei einer 2006 durchgeführten Studie waren es 93% die bei kurzen Expositionszeiten (1 Millisekunde und 1/500 Sekunde) das nachgebaute Logo fälschlicherweise Coca Cola zuschrieben.[31]

In zahlreichen tachistoskopischen Untersuchungen konnte festgestellt werden, dass die erste vage Anmutung einen beachtlichen Einfluss auf die Gesamtwahrnehmung eines Werbemotivs hat. So ruft beispielsweise ein in dunklen Farben gehaltenes Sujet tendenziell eher negative erste Eindrücke hervor, was unter Umständen die Bereitschaft zu einer weiterführenden Auseinandersetzung mit dem Sujet schmälert. Generell vermindern Übertreibungen sowie nicht eindeutig erkennbare Darstellungen die Prägnanz aber auch die Anmutung des Gesehenen.[32]

4. Kritik zu aktualgenetischen Verfahren

Als zentraler Kritikpunkt wird häufig die Verbindung aktualgenetischer Verfahren mit Befragungen genannt, und somit bis zu einem gewissen Grad auf den verbalen Angaben der Proband/inn/en basieren. Hierbei können zahlreiche unerwünschte Einflussfaktoren zum Tragen kommen, wie beispielsweise das individuelle Selbstvertrauen oder die sprachlichen Fähigkeiten der Testpersonen.[33]

Pepels schränkt die Aussagekraft von aktualgenetischen Ergebnissen weiter ein: Diese gäben lediglich Auskunft über die Aufmerksamkeit mit der etwas wahrgenommen wird, jedoch nicht über die Wirkung des Gesehenen. Es handle sich um eine lebensferne Testsituation, in welcher sich die Aufmerksamkeit der Testpersonen ausschließlich auf einen Reiz richtet. Der Proband/die Probandin konzentriert sich dabei überdurchschnittlich stark auf den dargebotenen Reiz und möchte meist möglichst gut abschneiden, um somit alles andere als die zu messende, teils unbewusste, flüchtige Wahrnehmung darstellt. Eine Umlegung der so gewonnenen Ergebnisse auf die Realität sei somit nur sehr beschränkt möglich.[34]

Laut Nieschlag et. al. messen aktualgenetische Verfahren „Erinnerungsreste“[35], die auf der Kombination von Gedächtnis und Wahrnehmung basieren. Das Testmaterial könne nur dann identifiziert werden wenn bereits Gedächtnisspuren vorhanden sind. Es könne also die Wiedererkennung bzw. der Bekanntheitsgrad gemessen werden, wobei das Gedächtnis eine wichtigere Rolle spiele als die Wahrnehmung an sich. Der Bekanntheitsgrad alleine sage jedoch nichts über Kaufpräferenzen aus, vielmehr könne sogar das Gegenteil der Fall sein (zB. ist der Bekanntheitsgrad zwar sehr hoch, dies basiert aber auf einem Skandal oder ähnlichem, was weiter mit einer negativen Einstellung gegenüber der Marke verbunden ist).[36]

Ähnliches gilt im Speziellen für die Schnellgreifbühne. Diese liefere, anders als oft behauptet, keine Aussage über das tatsächliche Kaufverhalten. Hierzu fehlen viele situationsspezifische Variablen, die den Kaufprozess ebenfalls stark beeinflussen.[37]

Zusammenfassend bieten aktualgenetische Verfahren zahlreiche Möglichkeiten zur Erfassung von Wahrnehmung und ihrer Entstehung sowie zur Messung von (Wieder-)Erkennung bestimmter Reize. Dennoch ist die Aussagekraft ihrer Ergebnisse begrenzt, da die Untersuchungen in einer konstruierten Testsituation stattfinden und so reale Präferenzen und tatsächliches Kaufverhalten meist nicht valide abbilden.

Literaturverzeichnis

Berekoven, Ludwig / Eckert, Werner / Ellenrieder, Peter (2009): Marktforschung: Methodische Grundlagen und praktische Anwendung. Wiesbaden: Gabler Verlag.

Dabic, Marina / Schweiger, Günter / Ebner, Ulrike (2008): Printwerbung: Der erste Eindruck zählt! Werbeforschung mit dem Tachistoskop. In: transfer, 01/2008.

Fantapié Altobelli, Claudia (2007): Marktforschung: Methoden – Anwendungen – Praxisbeispiele. Stuttgart: Lucius & Lucius.

Köller, Wilhelm (2004): Perspektivität und Sprache. Zur Struktur von Objektivierungsformen in Bildern, im Denken und in der Sprache. Berlin: de Gruyter, S.376.

Meffert, Heribert (1992): Marketingforschung und Käuferverhalten. Wiesbaden: Springer Gabler Verlag.

Nieschlag, Robert / Dichtl, Erwin / Hörschgen, Hans (2002): Marketing. Berlin: Duncker & Humblot.

Pepels, Werner (2011): Handbuch des Marketing. München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag.

Pepels, Werner (2013): Operatives Marketing. http://bookboon.com/de/operatives-marketing-ebook.

Sendlmeier, Walter (1985): Psychophonetische Aspekte der Wortwahrnehmung. Hamburg: Buske.

Schweiger, Günter / Schrattenecker, Gertraud (2013): Praxishandbuch Werbung. Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft.

[1] vgl. Sendlmeier, Walter (1985): Psychophonetische Aspekte der Wortwahrnehmung. Hamburg: Buske, S.152.

[2] vgl. Nieschlag, Robert / Dichtl, Erwin / Hörschgen, Hans (2002): Marketing. Berlin: Duncker & Humblot, S.607.

[3] Köller, Wilhelm (2004): Perspektivität und Sprache. Zur Struktur von Objektivierungsformen in Bildern, im Denken und in der Sprache. Berlin: de Gruyter, S.376.

[4] vgl. ebd., S.376.

[5] vgl. Schweiger, Günter / Schrattenecker, Gertraud (2013): Praxishandbuch Werbung. Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft, S.245f.

[6] Nieschlag / Dichtl / Hörschgen, Marketing, 2002, S.608.

[7] vgl. Nieschlag / Dichtl / Hörschgen, Marketing, 2002, S.608.

[8] vgl. Nieschlag / Dichtl / Hörschgen, Marketing, 2002, S.607f.

[9] vgl. ebd.,.S.607.; vgl. Fantapié Altobelli, Claudia (2007): Marktforschung: Methoden – Anwendungen – Praxisbeispiele. Stuttgart: Lucius & Lucius, S.106.

[10] vgl. Dabic, Marina / Schweiger, Günter / Ebner, Ulrike (2008): Printwerbung: Der erste Eindruck zählt! Werbeforschung mit dem Tachistoskop. In: transfer, 01/2008, S.28.

[11] vgl. Nieschlag / Dichtl / Hörschgen, Marketing, 2002, S.1017.

[12] vgl. Dabic / Schweiger / Ebner, Werbeforschung mit dem Tachistoskop, 2008, S.28.

[13] vgl. ebd., S.28.

[14] vgl. Fantapié Altobelli, Marktforschung, 2007, S.106.

[15] vgl. Fantapié Altobelli, Marktforschung, 2007, S.106.; vgl. Pepels, Werner (2013): Operatives Marketing. http://bookboon.com/de/operatives-marketing-ebook, S.89. (letzter Zugriff: 03.07.15).

[16] vgl. Meffert, Heribert (1992): Marketingforschung und Käuferverhalten. Wiesbaden: Springer Gabler Verlag. S.225.; vgl. Fantapié Altobelli, Marktforschung, 2007, S.106.

[17] vgl. Pepels, Werner (2011): Handbuch des Marketing. München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag, S.860.

[18] vgl. Nieschlag / Dichtl / Hörschgen, Marketing, 2002, S.467.

[19] vgl. Zou, Bo (2013): Multimedia in der Marktforschung. Wiesbaden: Springer Verlag, S.119.

[20] vgl. Fantapié Altobelli, Marktforschung, 2007, S.107.

[21] vgl. Berekoven, Ludwig / Eckert, Werner / Ellenrieder, Peter (2009): Marktforschung: Methodische Grundlagen und praktische Anwendung. Wiesbaden: Gabler Verlag, S.163.

[22] vgl. Fantapié Altobelli, Marktforschung, 2007, S.107.

[23] vgl. Pepels, Handbuch des Marketing, 2011, S.860.

[24] vgl. Pepels, Handbuch des Marketing, 2011, S.859.

[25] vgl. ebd., S.860.

[26] vgl. ebd. S.860.

[27] vgl. Schweiger / Schrattenecker, Praxishandbuch Werbung, 2013, S.373f.

[28] vgl. Dabic / Schweiger / Ebner, Werbeforschung mit dem Tachistoskop, 2008, S.25f.

[29] vgl. ebd., S.26ff.

[30] vgl. Schweiger / Schrattenecker, Praxishandbuch Werbung, 2013, S.374.

[31] vgl. Dabic / Schweiger / Ebner, Werbeforschung mit dem Tachistoskop, 2008, S.26ff.

[32] vgl. ebd., S.31ff.

[33] vgl. ebd., S.27.

[34] vgl. Pepels, Handbuch des Marketing, 2011, S.859.

[35] Nieschlag / Dichtl / Hörschgen, Marketing, 2002, S.1112.

[36] vgl. Nieschlag / Dichtl / Hörschgen, Marketing, 2002, S.1112ff.

[37] vgl. Meffert, Marketingforschung und Käuferverhalten, 1992, S.58.