Werbewirkung: Recall- vs. Recognitiontest

von Tamara HOLLERER (Herausgeber: Helmut Kammerzelt/Harald Wimmer)

Der Blog “Markt- und Mediaforschung” des Bachelor Studiengangs Marketing & Kommunikation der FH St. Pölten stellt in regelmäßigen Abständen Seminararbeiten zur Diskussion, die zu ausgewählten und spezifischen Themenbereichen der Markt- und Mediaforschung verfasst wurden.

Recall- vs. Recognitiontest

Die Bruttowerbespendings steigen auf der ganzen Welt jährlich an. Alleine im Jahr 2018 wurden in Österreich laut Focus 5,863 Mrd. EUR in Werbung investiert. Aufgrund dieser Entwicklung ist die Eruierung des Werbeerfolgs für Unternehmen von essenzieller Bedeutung. Um den Werbeerfolg zu ermitteln, muss in der Vorstufe die Werbewirkung analysiert werden.  Hierbei stellt sich die grundlegende Frage: Wie glauben wir, funktioniert Werbung? Diese Frage, die seit der Entstehung der Werbewirkungsforschung im Raum steht, beeinflusst die Entwicklung der gesamten Verfahren der Werbewirkungsforschung sowie die Überlegungen zu einzelnen Methoden wie dem Recall- und Recognitiontest.

Verfahren der Werbewirkungsforschung

Die Werbewirkung bezieht sich auf emotionale und kognitive Prozesse. Hierbei stehen kommunikative und psychologische Größen im Mittelpunkt der Messung, die die Wirkung der Werbung auf den Menschen ermitteln sollen. Die Ansprache dieser Prozesse durch die Werbung wirken sich daher beispielsweise auf das Lernen, die Einstellung, die Emotionen oder auf das Verhalten von Personen aus. Diese Elemente werden als Wirkungsindikatoren bezeichnet. Aufgrund der unterschiedlichen Ausprägungen der Indikatoren, kann kein einheitliches Instrument zur Messung dieser verwendet werden, sondern es existieren für die unterschiedlichen Wirkungsindikatoren verschiedene Mess- und Erhebungsinstrumente. (siehe Abb. 1).

Verfahren zur Überprüfung des Lernerfolgs

Einen entscheidenden Teil der Werbewirkungsforschung stellen die Verfahren zur Überprüfung der Verarbeitung der Informationen dar.
Diese beschäftigen sich mit den Inhalten, die durch die Werbemittel weitergegeben werden, und damit welche davon im Gedächtnis festgehalten werden. Messinstrumente die zur Generierung dieser Erkenntnisse verwendet werden sind beispielsweise der Foldertest, der Copytest, der Recall-Test oder der Recognition-Test (siehe Abb. 1).
Dieser Wirkungsstufe wird aufgrund der Annahme, dass vor allem die Gedächtnispräsenz von Marke und Werbemittel das Kaufverhalten bestimmt und somit die Erzielung des Werbeerfolgs erfüllt wird, sprich die ökonomischen Ziele umgesetzt werden, große Bedeutung zugeschrieben.
Diese Annahme muss jedoch kritisch betrachtet werden. Zwar wird von einigen Forschern angenommen, dass die Werbung bewusst erinnert bzw. erlernt werden muss, damit eine Reaktion ausgelöst werden kann, jedoch wird in vielen Publikationen auf die unbewusste Werbemittelaufnahme hingewiesen, die laut deren Untersuchungen,  genügt um das gewünschte Verhalten auszulösen. Noch schärfer kritisiert die Annahme, dass die Wirkung der Werbung besser sei, wenn diese nicht bewusst von dem/der KonsumentIn wahrgenommen wird und dadurch keine bewusste Kontrollsituation von den WerbeempfängerInnen erkannt werden kann. 
Diese kritische Betrachtungsweise begründet den jahrzehntelangen Methodenstreit zwischen den zwei Standardmethoden zur Überprüfung des Lernerfolgs: Recall vs. Recognition.

Recall

Der Recall-Test wurde vom Marktforschungsinstitut Gallup und Robinson in deren Gründungsjahr 1948 entwickelt. Recall bedeutet, die Erinnerung (an ein Werbemittel) zunächst durch reine Gedächtnisleistung abzurufen. BeimRecall-Test wird daher von der Testperson verlangt, das Gemerkte an ein Werbemittel ohne Vorlage jeglicher Hilfsmittel, frei wiederzugeben. Gelingt der Abruf aus freiem Gedächtnis spricht man vom „Unaided Recall“, auch als spontaner oder ungestützter Recall bekannt. Beim Recall-Wert wird eine aktive Erinnerung an das Werbemittel verlangt. Passive Gedächtniserinnerungen werden beim „Unaided Recall“ außen vorgelassen, da bei diesem Wert unbewusste, verschwommene Erinnerungsbilder nicht gemessen werden.) Die ungestütze Erinnerungsabfrage bringt daher immer einen Anteil an Personen mit sich, die das Werbemittel zwar gesehen haben, sich jedoch nicht aktiv genug daran erinnern können, um eine akzeptable Antwort auf die „Unaided-Recall“-Frage zu geben. Dies ist der Hauptgrund, warum der „Unaided-Recall“-Wert vorwiegend ein relativ niedriger ist. 
Um diesen geringen „Unaided-Recall“-Wert gewissermaßen auszumerzen, wird anschließend an die Messung der ungestützten Bekanntheit der „Aided-Recall“-Test durchgeführt. Hierbei wird den Testpersonen eine Gedächtnisstütze geboten, jedoch nicht das Werbemittel selbst vorgelegt. Durch die Angabe von Produktkategorien oder Markennamen soll den Testpersonen eine Hilfestellung zur Verfügung stehen, um sowohl aktive als auch passive Gedächtnisinhalte aufrufen zu können. Der „Aided-Recall“-Wert, auch gestützter Erinnerungswert genannt, liegt aufgrund der zusätzlichen Messung von verschwommenen Erinnerungsbildern, die durch die Vorgabe der Hilfestellung leichter aufgerufen werden können, im Vergleich zum „Unaided-Recall“-Wert deutlicher höher.
Um die abgefragte ungestützte bzw. gestützte Erinnerung zu kontrollieren, werden die Testpersonen aufgefordert, einen Teil des Werbemittels zu beschreiben. Stimmt die Beschreibung mit den Kernelementen des Werbemittels überein, gilt die Angabe als bestätigt und wird als „Proven Recall“ bewertet. Der Wert, der sicherstellt, dass die ProbandInnen von dem „richtigen“ Werbemittel sprechen, liegt in der Regel zwischen dem „Unaided Recall“- Wert und dem „Aided Recall“-Wert.

Recognition

Der Recognition-Test entstand 1932 aus einer traditionellen Methode der Lernpsychologie. Beim von Daniel Starch entwickelten Recognition-Test wird die Wiedererkennung eines Werbemittels gemessen. Dazu wird den Testpersonen ein Werbemittel vorgelegt und anschließend gefragt, ob dieses Werbemittel zuvor schon einmal gesehen wurde. Da bei dieser Methode nicht wie beim „Unaided Recall“ eine aktive Gedächtnisleistung vorausgesetzt wird, fällt der „Recognition“-Wert systematisch höher aus. Das zuvor erwähnte Problem der Personen, die sich an verschwommene Bilder erinnern können, aber nicht unter den „Unaided Recall“ fallen, wird bei dieser Art der Befragung durch die Erleichterung der Vorlage des Werbemittels umgangen und somit der „Recognition“-Wert durch diese Anzahl an Personen erhöht. Weiters wird der Wert durch jene Personen erhöht, deren Erinnerung erst durch die Vorlage der Werbemittel bewusst aktiviert wird. 
Nach der Abfrage der Wiederkennung des Werbemittels wird anschließend auf die Einzelteile des Werbemittels eingegangen, um für Elemente wie beispielsweise das Logo oder die Headline gesonderte Recognition-Werte zu erhalten. 
Da das Werbemittel beim Recognition-Test den Testpersonen vorgelegt wird, geht diese Methode insbesondere auf die Überprüfung des Aufmerksamkeitswerts des Werbemittels ein. Dabei kommt eine gewisse Auffälligkeit der Werbemittelgestaltung der Erinnerungsarbeit dahingehend erleichternd zu, da die einzelnen Erinnerungen als elektromagnetische Impulse im Hirn abgelegt werden und je nachdem wie viel Aufmerksamkeit das Werbemittelt generiert hat, diese schneller bzw. überhaupt abgerufen werden können. 

Unterschiede der Methoden

Der fundamentale Unterschied der Recall- undRecognition-Methode ist die grundsätzlich nicht vergleichbare Gedächtnisleistungsabfrage. 
Bei der Abfrage der Wiedererkennung (Recognition) wird lediglich gemessen, ob ein Kontakt mit dem Werbemittel stattgefunden hat. Die Messung des Recall-Tests geht im Vergleich tiefgründiger auf den Werbekontakt ein. Bei der ungestützten sowie gestützten Werbeerinnerung wird das inhaltliche Auseinandersetzen sowie die daraus resultierende Zuwendung bzw. im Optimalfall das Verstehen der Botschaft des Werbemittels vorausgesetzt. Diese Unterscheidung wird in vielen literarischen Werken als Hauptunterscheidungskriterium angesehen und auf diese werden ebenfalls die auseinanderklaffenden Ergebnisse gestützt.
Beide Differenzierungsansätze geben im Endeffekt jedoch keine Kenntnis darüber, welcher Wert sich der de facto stattgefundenen Aufmerksamkeit des Werbemittels gegenüber am ehesten nähert.
Der Recall-Wert wird von vielen Forschern als der validere erachtet, da sich aktiv an das Werbemittel erinnert werden muss und dies auch beim Kauf von Produkten notwendig ist. Die Zweifel an der Validität des Recognition-Test beruhen auf dem Kritikpunkt der ungeprüften Übernahme der Äußerungen der ProbandInnen in die Ergebnisse, und der dadurch aufkommenden Frage, ob tatsächlich Werbewiedererkennung gemessen wird.

Mehr zu dem Thema Recall- vs. Recognitiontest erfahren Sie HIER in der Seminararbeit von Tamara Hollerer.

Quellen:

Ellinghaus, Uwe (2000): Werbewirkung und Markterfolg. München: Ouldenburger Wissenschaftsverlag.

Finn, Adam (1988): Print Ad Recognition Readership Scores: An Information Processing Perspective, in: Journal of Marketing Research, Vol. 25, No. 2, S. 168–177.

Focus (2018): Werbebilanz 2018, in: https://www.wko.at/branchen/information-consulting/werbung-marktkommunikation/Werbilanz-und-Werbeprognose_Focus2019_2018.pdf. Stand: 3. Juli 2019

Kloss, Ingomar (2003): Werbecontrolling. Konzept, Instrumente, Fallbeispiele. Gernsbach: Deutscher Betriebswirte-Verlag. 

Koch, Jörg/Gebhart, Peter/Riedmüller, Florian (2016): Marktforschung. Grundlagen und praktische Anwendungen. Berlin: Walter de Gruyter. 

Koch, Jörg (2008): Werbekontaktanalyse, in: Pepels, Werner (Hrsg.): Markforschung. Organisation und praktische Anwendung. Düsseldorf: Symposion Publishing.

Moore, Timothy E. (1982): Subliminal Advertising: What you see is what you get, in: Journal of Marketing, Vol. 46, No. 2, S. 38-47.

Schützendorf, Robert (2013): Werbewirkungsforschung, in: Grüblbauer Johanna/Kammerzelt, Helmut (Hrsg.): Werbewirkung und Mediaplanung. Baden-Baden: Nomos. 

Schweiger, Günter/Schrattenecker, Gertraud: Werbung. München: UVK Verlagsgesellschaft.

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