Mobile Marktforschung: Mobile Sensing

von Hana GREINER (Herausgeber: Helmut Kammerzelt/Harald Wimmer)

Der Blog “Markt- und Mediaforschung” des Studiengangs Media- und Kommunikationsberatung der FH St. Pölten stellt in regelmäßigen Abständen Seminararbeiten zur Diskussion, die zu ausgewählten und spezifischen Themenbereichen der Markt- und Mediaforschung verfasst wurden.

Mobile Marktforschung: Mobile Sensing

Durch fortschreitende technische Möglichkeit wird das Smartphone für die Marktforschung immer interessanter. Durch die Entwicklung chemischer Sensoren werden sich z.B. in Zukunft nicht-reaktive Verfahren in der mobilen Marktforschung weiter entwickeln können. Ziel der heute vorgestellten Arbeit ist es anhand dreier Praxisbeispiele die Möglichkeiten des sogenannten Mobile Sensing näher zu erläutern. Es werden zudem die Ergebnisse einer Gruppendiskussion ausführlich beleuchtet, die den Einsatz von Mobile-Sensing zum Thema hatte.

1. Begriffsdefinition

1.1  Smartphone

Die offizielle Definition des Begriffs Smartphone nach Duden lautet: „Mobiltelefon, das sich von einem klassischen Mobiltelefon durch einen größeren [Touchscreen]bildschirm und zusätzliche Funktionen wie GPS und die Möglichkeit, Apps raufzuladen, unterscheidet“. (http://www.duden.de/rechtschreibung/Smartphone)

Abgeleitet aus dem Lateinischen (lat.: sensus, Sinn) ist ein Sensor ein Messgerät verschiedener physikalischer Größen (z.B. Kraft, Temperatur o.ä.), die einen gemessenen Wert in eine interpretierbare Größe umwandelt. Der Wert resultiert aus physikalischen Effekten und kann somit als elektrisches Signal weiterverarbeitet werden (z.B. Strom, elektrischer Widerstand oder Spannung) (Vgl. W. Barfield, T. Caudell (2001); S.15). Somit handelt es sich um einen Messfühler, der die Signale verschiedenster Art empfangen und in weiterverarbeiteter Form weiterleiten kann (Vgl. E. Hering u.a. (2005); S. 298). Um als Sensor angesehen zu werden muss ein Objekt bestimmte Eigenschaften erfüllen.

Sensoren (Vgl. P. Gründler (2004); S. 2ff)

  • haben direkten Kontakt zum Untersuchungsobjekt,
  • konvertieren die nichtelektrische Information in elektrische Signale,
  • arbeiten kontinuierlich in bestimmten Abständen, bzw. programmierten Zyklen,
  • haben eine kurze Reaktionszeit und
  • sind klein und preisgünstig.

1.2  Mobile Sensing

Anders als praktiziertes Urban Monitoring, welches meist Kameras und Sensoren nutzt, läuft Mobile Sensing über das Smartphone ab. Es ist eine neue Plattform für eine urbane Analyse und Monitoring, bei dem Mobile Sensing dafür eingesetzt wird urbanes Verhalten zu erkennen. Mobile Sensing baut auf einer web-basierten Schnittstelle auf, um Kompatibilität und Interoperabilität zu maximieren.

Die aggregierte Nutzung des Smartphones und Antennenmast-Positionen werden in ein Dichte-Gitter eingefügt. Dann werden urbane Muster zu einem bestimmten Zeitpunkt analysiert, um zu illustrieren wie Menschen ihre Umgebung erleben. Des Weiteren dienen die Resultate der Analyse dazu geographische „Hot Spots“ ausfindig zu machen und zu erklären und die einzigartigen Charakteristika dieser Orte herauszufiltern (vgl. „An Implementation of Mobile Sensing For Large-Scale Urban Monitoring” 2008, Raleigh, North Carolina, USA. Teerayut Horanont, Ryosuke Shibasaki, Seite 1ff).

2. Besitz mobiler Geräte mit Internetzugang nach Alterskohorten

2012 besaßen in Österreich insgesamt 2.882.300 Menschen ein Smartphone. Die Tendenz zum Smartphonebesitz und zur Nutzung des mobilen Endgeräts als Interzugang sinkt mit zunehmendem Alter.

AlterIn 1.000In %
16 -24761,183,2
24 – 34750,870,6
34 – 44618,654,8
45-54465,242,3
55-64222,436,2
65-7464,220,8

Quelle: Statistik Austria

3. Praxisbeispiele Mobile Sensing

3.1 Pollutionspy

Wie der Name dieses Dienstes schon sagt (Pollution = Englisch für Verschmutzung), misst dieser Dienst die Luftverschmutzung. Eingesetzt wurde dieser Dienst, um die Luftqualität in der Nähe von stark befahrenen Gebieten zu messen. Der Sensor war zum Zeitpunkt der Durchführung der Studie an ein Nokia N95 gekoppelt. Zwar sind in diesem Beispiel Messinstrument und Mobiltelefon noch nicht zu 100% vereint, als Prototypvariante ist das Beispiel jedoch geeignet (vgl. E Kanjo u.a.( 2009) S50ff.).

3.2 Mobasthma

Dieser Dienst baut auf einem ähnlichen Prinzip wie der oben genannte Pollutionspy auf und dient dazu, eine Relation zwischen der aktuellen Luftverschmutzung und den Asthmasymptomen des/der Nutzers/Nutzerin herzustellen. Der Dienst funktioniert mithilfe medizinischer Equipments und überprüft so den Status Quo der Asthmasymptome des/der Nutzers/Nutzerin. Der chemische Sensor im mobilen Endgerät misst die Luftverschmutzung im Gebiet, in dem sich der/die NutzerIn aufhält. Das System bietet weiters die Möglichkeit ein laufendes Monitoring durchzuführen und beim Überschreiten von festgelegten Grenzwerten Alarm zu schlagen, um den/die NutzerIn zu warnen, dass er/sie sich in Gefahr befindet (Vgl. E. Kanjo u.a. (2009); S. 54).

3.3 Stairmaster

Der Dienst Stairmaster dient dazu, zu erkennen, ob jemand gestürzt ist. Der Sensor misst die traxialen Beschleunigungswerte sowie den Luftdruck. Des Weiteren steht der Sensor, welcher sich in einem batteriebetriebenen Gerät befindet, in kabelloser Verbindung mit einem mobilen Endgerät. Diese Verbindung ermöglicht es, dass ein Alarm ausgelöst wird und eine telefonische Verbindung mit einer vorab ausgewählten Person hergestellt wird.

Außerdem kooperiert das Gerät mit einer Plattform, welche sämtliche Daten über die normalen Bewegungsabläufe des/der Nutzers/Nutzerin speichert und so erkennen kann, in welcher Situation der/die NutzerIn gestürzt ist (vgl. M. Lüder, G.S.R. Bieber (2008); S. 1ff).

4. Möglichkeiten von Mobile Sensing in der mobilen Marktforschung

Die oben aufgezeigten Einsatzmöglichkeiten haben zwar einen relevanten Praxisbezug, sind aber für die mobile Marktforschung nicht im herkömmlichen Sinne nützlich.

Die Einsatzmöglichkeiten wie Stairmaster, MobAsthma oder Pollutionspy sind allerdings Dienste, mit denen es möglich sein kann Langzeitstudien durchzuführen. Die Entwicklung von Krankheiten wie Asthma aber auch Diabetes oder die Verbreitung von Grippeviren können auf diese Weise verfolgt und studiert werden. Eine „Grippe-Radar“, welches die Entwicklung von Viren untersucht, kann unter anderem für die Pharmaindustrie von Nutzen sein.

Wie bereits erklärt, ermöglicht der Einsatz von Sensoren in mobilen Endgeräten die Aufschlüsselung urbaner Hotspots. Koppelt man diese geographischen Karten mit den Messwerten von weiteren chemischen Sensoren, wird es möglich, zu messen wie sich der Aufenthaltsort auf den emotionalen Zustand des/der Nutzers/Nutzerin auswirkt.

Ein Beispiel hierfür wäre: Der/Die NutzerIn hält sich an einem stark frequentierten Ort auf, beispielsweise auf einer Einkaufsstraße. Nun stellt der Sensor im mobilen Endgerät einen veränderten Hautleitwert oder einen steigenden Puls fest. Da es möglich ist, den Standort des/der Nutzers/Nutzerin und seinen physischen (und dadurch im weiteren Sinne auch psychischen) Zustand zu erfassen, ergibt sich die Option dem/der NutzerIn eine Umfrage zukommen zulassen, in der er/sie selbst angeben kann, wieso sich seine/ihre Normalwerte verändert haben, er/sie kann einordnen ob er/sie sich wohl oder unwohl fühlt und seine/ihre Umwelt bewerten.

Solche Umfragen helfen nicht nur den gestalterischen Aspekt von geografischen Hotspots zu überprüfen und gegebenenfalls zu überdenken. Sie können auch dazu dienen, Werbeschaltungen oder Informations-SMS an den/die NutzerIn zu schicken, die für ihn/sie auf Grund seines/ihres emotionalen Befindens und seines/ihres geografischen Aufenthaltsortes relevant sind.

5. Zuschreibungen im Rahmen einer Gruppendiskussion

Ziel der Gruppendiskussion war es, die Akzeptanz gegenüber der Implementierung von chemischen Sensoren in mobile Endgeräte bei Jugendlichen zu ergründen.

Eröffnet wurde die Gruppendiskussion mit einer kurzen Erklärung was man sich unter chemischen Sensoren vorstellen kann und wo das Potenzial für diese liegt.

Hier gingen die Meinungen sofort auseinander. Teilnehmer K war nach sehr kurzer Überlegung sofort der Überzeugung, diese Sensoren würden Meta-Daten sammeln. Dadurch könnte, „wer auch immer die Datenbank verwaltet“, herausfinden „wo sich der Besitz des Smartphones aufhält, was er dort tut und mit wem er sich unterhält.“

Teilnehmer G sagte, er glaube die Sensoren reagieren auf „Botenstoffe“, wobei er sich hier sowohl auf Hormone und Körperflüssigkeiten wie auch auf pflanzliche und chemische Stoffe anspielte.

Interessant an dieser Stelle war unter anderem, dass die TeilnehmerInnen durchwegs negativ auf den Begriff „chemische Sensoren“ reagierten. Es wurde festgestellt, dass sich der Begriff „gesundheitsschädlich“ und „unheimlich“ anhört.

Den TeilnehmerInnen wurde in weiterer Folge unter anderem das Praxisbeispiel MobAsthma vorgestellt.

Die TeilnehmerInnen reagierten auf die Vorstellung zunächst unterschiedlich. Während Teilnehmer Y (Anmerkung: leidet selbst unter leichten Asthma) erst von der Idee begeistert war, eine „App für ihr iPhone“ zu haben, dass „hilft das Asthma in den Griff zu bekommen“, reagierte Teilnehmer K mit einer Abneigung gegen die Vorstellung, jemand könne „derart persönliche Daten“ von ihm besitzen .

Teilnehmer K verglich die Speicherung von derartigen Daten mit der Speicherung von „Daten auf Facebook“. Seine Sorge bestand darin, dass „man ja nie weiß wer hinter zu einer Datenbank sitzt“.

Teilnehmerin L pflichtete Teilnehmer K an dieser Stelle zwar bei, allerdings gab sie zu bedenken, dass man „ja selbst Schuld“ sei, wenn man „sorglos mit seinen Daten umgeht“ und „es bei jedem in der eigenen Verantwortung liegt, welche Daten man preisgibt.“ Teilnehmer G warf ein, dass er hier den „Unterschied von Mobile Sensing und Facebook“ deutlich sähe, nämlich, dass „der Körper ja unwillkürlich reagiert“ und „man keinerlei Einfluss auf die gesammelten Daten hat.“

Teilnehmer K gab zu, dass er die Idee „die Sensoren an einen automatischen Notruf zu koppeln prinzipiell gut“ fände, er allerdings auch die Sorge habe „die Daten, Symptome etc.“ würden „an Pharmakonzerne direkt weitergeleitet.“

Teilnehmerin Y stimmte Teilnehmer K zu, dass sie „die Idee an sich jetzt nicht wirklich schlecht“ fände, sie sich aber „bei dem Gedanken permanent überwacht zu werden unwohl“ fühle. Außerdem warf sie ein „die Geschichte“ erinnere sie „an Big Brother“ und sie hätte das Gefühl „jeder Schritt würde überwacht.“

Alle TeilnehmerInnen diskutierten an dieser Stelle über die Wichtigkeit Ihrer Privatsphäre. Die anfängliche positive Aufnahme von dem neuartigen System gegenüber schlug langsam in eine negative Einstellung über. Alle TeilnehmerInnen waren sich einig, dass es ihnen „nicht recht“ sei, dass ihre biologischen Daten von „irgendeinem“ Sensor gemessen würden. Selbst die an Asthma leidende Teilnehmerin Y sagte gegen Ende der Diskussion, dass sie eine derartige „App niemals auf“ ihr „Smartphone laden“ würde.

Die Diskussion ging dann auf Praxisbeispiele wie den oben beschriebenen Stairmaster und den Pollutionspy über. Die erhöhte Akzeptanz gegenüber diesen Diensten war deutlich zu spüren.

Teilnehmer K, der anfangs von Pharmakonzernen gesprochen hatte, wurde darauf angesprochen, ob es für ihn das Image eines Unternehmens beeinflussen würde, wenn er wüsste, dass besagtes Unternehmen mit chemischen Sensoren zu Marktforschungszwecken arbeitet.

Teilnehmer K reagierte sehr gelassen auf die Frage und gab zu bedenken, dass „eh jedes Unternehmen Marktforschung betreibt und man eigentlich gar nicht wissen will wie.“ Außerdem verstehe er „durchaus, dass sich Unternehmen, die es sich leisten können sich einen Wettbewerbsvorteil durch den Einsatz von Mobile Sensing verschafft.“

Fazit Gruppendiskussion: Werden chemische Sensoren zu Marktforschungszwecken implementiert, sollte darauf geachtet werden wie das Wording gegenüber der Öffentlichkeit gestaltet ist. Wie am Anfang der Gruppendiskussion bereits erwähnt, löste der Begriff „chemisch“ hauptsächlich negative Reaktionen aus.

Keiner der TeilnehmerInnen lehnte die Idee von einer Implementierung von chemischen Sensoren in ihr Smartphone zu Marktforschungszwecken grundsätzlich ab. Dies kann unter anderem daran liegen, dass die TeilnehmerInnen durchwegs eine vergleichsweise hohes Verständnis von Wirtschaft und Marktforschung haben und daher eine positivere Einstellung gegenüber dem Thema.

Was die TeilnehmerInnen aber großteils für unangenehm befanden, war die Tatsache, dass die Daten, die über die Sensoren gesammelt werden, an ihnen unbekannte Personen weitergeleitet würden.

6. Ausblick

Die Methode Mobile Sensing steckt derzeit noch in den Kinderschuhen. In Zukunft wird die Integration von chemischen Sensoren in mobile Endgeräte allerdings viele Optionen für die Mobile Marktforschung bieten. Nicht zuletzt aufgrund der einfachen Aufbereitung der Daten, auch die Langlebigkeit von chemischen Sensore machen Methoden wie Mobile Sensing zu einem wertvollen Bestandteil der mobilen Marktforschung.

Bevor diese Methoden allerdings wirklich praktisch eingesetzt werden können, sollten die NutzerInnen auf den Einsatz und den Gebrauch von chemischen Sensoren vorbereitet werden, da sonst, wie in der Gruppendiskussion erkenntlich, eine negative Einstellung von NutzerInnen gegenüber der Methode auftreten kann.

7. Literaturverzeichnis

Barfield, Woodrow; Caudell, Thomas: Fundamentals of wearable computers and augmented reality, Mahwah, NJ 2001.

Hering, Ekbert u.a.: Elektronik für Ingenieure und Naturwissenschaftler, 5., aktualisierte Aufl., Berlin, Heidelberg 2005.

Gründler, Peter: Chemische Sensoren. Eine Einführung für Naturwissenschaftler und Ingenieure, Berlin, Heidelberg 2004.

Kanjo, Eiman u.a.: MobSens: Making Smart Phones Smarter. in: IEEE Pervasive Computing, Vol. 8 (2009), S. 50– 57.

Lüder, Marian; Bieber, Gerald Salomon Ralf: StairMaster: Ein neues Gerät zur online Erkennung von Stürzen – A New Online Fall Detection Device, Rostock 2008, S. 1–5:

Horanont, Shibasaki„An Implementation of Mobile Sensing For Large-Scale Urban Monitoring” 2008, Raleigh, North Carolina, USA. S. 1ff